"Kulturpolitischer Aktionstag gegen Armut und Obdachlosigkeit"
Bettler marschieren durch die Innenstadt
Sogar Prostituierte legten in Spontanstreiks ihre Arbeit nieder,
und
auf der Reeperbahn gingen abends für kurze Zeit alle Lichter aus.

Gegen die Sparpolitik des Hamburger
Senats formiert sich Widerstand. Auf dem bundesweit erstmaligen
Bettlermarsch durch die Hamburger Innenstadt protestierten etwa 500
Menschen gegen einschneidende Kürzungen im Sozialetat der Hansestadt.
Ein Bündnis aus Obdachloseninitiativen, Drogenhilfe, Gewerkschaften und
Hamburger Prominenten hatte sich zum "kulturpolitischer Aktionstag
gegen Armut und Obdachlosigkeit“ zusammengefunden und kritisierte die
Streichungen im sozialen Bereich. Unterstützung erhielt die
Demonstration von den Bewohnern der Wagenburg "Bambule“, die mit fünf
Bauwägen in die Hamburger City kamen. Die "Bambule" ist seit dem ersten
November von der Räumung bedroht.
"Tatsächlich geht es um Notwehr"

Ein starkes Polizeiaufgebot
begleitete die friedlich verlaufende Demonstration. Hamburger
Prominente wie Kiezgröße Lilo Wanders, Autorin Peggy Parnass und
Schauspieler Rolf Becker unterstützten den Aufruf. Becker sprach auf
der Abschlusskundgebung auf dem Gänsemarkt von einer Notwendigkeit,
sich gegen "Ausgrenzung und Armut zu organisieren“. Pläne des
Innensenats, Drogenabhängige auf Flächen im Freihafen zu konzentrieren,
seien nicht hinnehmbar. Ein Sprecher der Künstlerorganisation
"Grenzgänge e.V." umschrieb die Situation mit: "Tatsächlich geht es um
Notwehr!“ Als "unzureichend" bezeichnete Holger Hanisch vom "CAFÉE mit
Herz" die kurzfristige Schaffung von 200 neuen Schlafplätzen, die der
Senat in der letzten Woche angekündigt hatte. Der Hamburger
Bettlermarsch ist Auftaktkundgebung einer Reihe von Veranstaltungen,
die in den nächsten Wochen die Sozialpolitik des hanseatischen Senats
thematisieren.
Schiffsirenen und Streiks auf dem Kiez

Die Initiatoren des Bettlermarsches
vom "CAFÉE mit Herz“ im ehemaligen Hafenkrankenhaus können auf eine
mittlerweile sechsjährige Geschichte ihrer Lobbyarbeit in St. Pauli
zurückblicken. Unter dem Titel "Ein Stadtteil steht auf“ entstand im
Herbst 1996 eine Initiative, die auf die geplante Schließung des
Hafenkrankenhauses reagierte. Mit zahlreichen Montagdemos, begleitet
von Kirchengeläut und Schiffssirenen, forderte ein breites Bündnis eine
weitere medizinische Nutzung des Gebäudes an der Seewartenstraße. Sogar
Prostituierte legten in Spontanstreiks ihre Arbeit nieder, und auf der
Reeperbahn gingen abends für kurze Zeit alle Lichter aus. Die Besetzung
der Station 10 des Hafenkrankenhauses verhinderte schließlich dessen
komplette Schließung und setzte die Gründung des “Sozial- und
Gesundheitszentrum St. Pauli“ durch.